Die Bedrohung durch das KI-Oligopol: wer kontrolliert unsere Zukunft?

Meta Beschreibung: Ben Goertzel warnt in Kapitel 12 vor dem KI-Oligopol: Wie Big Tech durch Kontrolle von Daten, Geld und Meta-Lernen nicht nur die KI-Zukunft, sondern auch unser Bewusstsein prägt.

Blog Artikel zu Kapitel 12 aus
The Consciousness Explosion von Dr. Ben Goertzel

Einleitung

Künstliche Intelligenz (KI) ist mehr als nur Code und Algorithmen. Sie ist, wie Dr. Ben Goertzel es in seinem Buch „Die bevorstehende Bewusstseinsexplosion“ beschreibt, eine „Visionssuche“ für die Menschheit – ein Abenteuer, das die Essenz unseres Seins ergründet und das Potenzial birgt, völlig neue Universen des Denkens und Erlebens zu erschließen. Doch neben dieser visionären Dimension gibt es eine andere, zunehmend dominante Realität: KI ist ein gigantisches Geschäft. In Kapitel 12, „Das KI-Oligopol“, beleuchtet Goertzel die beunruhigende Konvergenz von Technologie, Wissenschaft und knallhartem Business. Er warnt eindringlich davor, wie eine kleine Gruppe von Technologiegiganten („Big Tech“) nicht nur die Entwicklung von KI kontrolliert, sondern potenziell auch die Richtung unserer kollektiven Zukunft und sogar die Struktur unseres Bewusstseins selbst prägt. Die Frage „Wem gehört die KI?“ ist laut Goertzel entscheidend, denn die Antwort darauf könnte bestimmen, ob KI zu einem Werkzeug der Befreiung oder der ultimativen Kontrolle wird.

Die fünf Reiter der KI-Apokalypse? Verkaufen, Töten, Spionieren, Zocken, Plagiieren

Goertzel beginnt mit einer provokanten Bestandsaufnahme der aktuellen KI-Landschaft. Er argumentiert, dass die meisten kommerziell eingesetzten KIs heute weniger wie lernende Kinder behandelt werden, sondern eher wie „Sklaven oder Schuldknechte“. Ihre Entwicklung wird nicht primär auf allgemeine Intelligenz oder Wohlbefinden ausgerichtet, sondern darauf, spezifische, oft problematische Aufgaben für ihre „Herren“ zu erfüllen. Diese Aufgaben fasst er pointiert in fünf Kategorien zusammen:

  1. Verkaufen: Hauptsächlich durch personalisierte Werbung, die das Kerngeschäft von Giganten wie Google und Meta antreibt und Nutzerverhalten subtil lenkt.
  2. Spionieren & Töten: Die militärischen und geheimdienstlichen Wurzeln der KI wirken fort, mit enger werdenden Verflechtungen zwischen Big Tech und staatlichen Überwachungs- und Militärapparaten (z.B. große Rechenzentren von Amazon/Microsoft nahe dem Pentagon).
  3. Manipuliertes Glücksspiel: Hochentwickelte Algorithmen im Finanzsektor, die weniger fairem Wettbewerb dienen, als vielmehr der systematischen Umverteilung von Vermögen von den Massen zu einer kleinen Elite.
  4. Plagiieren: Generative KI wie LLMs, die zwar beeindruckend kombinieren, aber wenig originell sind und oft grenzwertig die Arbeit menschlicher Schöpfer kopieren und deren Jobs bedrohen, meist ohne Kompensation.

Diese Ausrichtung ist nicht nur ethisch bedenklich, sie prägt auch die Art der entwickelten KI. Algorithmen, die gut für Kontrolle, Überwachung und Manipulation geeignet sind, sind nicht unbedingt dieselben, die Kreativität, Mitgefühl oder demokratische Prozesse fördern. Die Gefahr, so Goertzel, ist, dass wir uns rapide auf eine Künstliche Allgemeine Intelligenz (KGI) zubewegen, deren grundlegende kognitive Architektur bereits von Ausbeutung und ungesunden Machtdynamiken durchdrungen ist.

Wie Big Tech die Kontrolle übernahm: Daten, Geld und Netzwerkeffekte

Der Weg zum heutigen KI-Oligopol führte von frühen militärischen Anwendungen hin zur Dominanz weniger Konzerne, befeuert durch das Internet und Big Data. Goertzel betont die extreme Zentralisierung: Nur wenige tausend Entwickler bei einer Handvoll Unternehmen (Google, Meta, Amazon, Microsoft; Baidu, Alibaba, Tencent in China) schreiben den Großteil des weltweiten KI-Codes.

Der Hauptgrund für diese Konzentration liegt in der Abhängigkeit moderner KI (insbesondere Deep Learning) von riesigen Datenmengen und enormer Rechenleistung. Nur Megakonzerne und einige wenige Regierungen (oft in Partnerschaft mit ersteren) können sich die Infrastruktur zum Sammeln, Speichern und Verarbeiten dieser Daten leisten. Dies schafft eine hohe Eintrittsbarriere und fördert eine Mentalität der „Verteidigungsfähigkeit“ – ähnlich wie im Militär wird Wert darauf gelegt, Systeme zu bauen, die Konkurrenten nur schwer nachbauen können.

Zentral für die Dominanz von Big Tech sind die Netzwerkeffekte:

  • Daten-Flywheel: Mehr Nutzer liefern mehr Daten, was zu besseren KI-Diensten führt, was wiederum mehr Nutzer anzieht. Ein sich selbst verstärkender Kreislauf, der bei Google (Suche/Anzeigen) und Meta (soziale Netzwerke/Anzeigen) perfektioniert wurde.
  • Zweiseitige Plattformen: Dienste wie Uber, Lyft oder Cloud-Plattformen (AWS, Google Cloud) profitieren doppelt: Mehr Anbieter ziehen mehr Nutzer an und umgekehrt, was zu einer „Fluchtgeschwindigkeit“ führt, die Konkurrenten kaum einholen können.

Das Ergebnis ist eine „Technokratie“, in der eine kleine Minderheit über die Entwicklung der vielleicht wirkungsmächtigsten Technologie der Menschheitsgeschichte entscheidet.

Der Griff nach den Talenten und die Lenkung der Forschung

Big Tech dominiert nicht nur durch Ressourcen, sondern auch durch die Kontrolle des Technologietransfers und der Forschungsrichtung. Während bahnbrechende KI-Innovationen oft an Universitäten oder in Startups entstehen, erfolgt die Skalierung und Monetarisierung fast immer innerhalb der Konzerne. Diese nutzen ihre finanziellen Muskeln, um Talente und Startups aufzukaufen („Acqui-hiring“) und die Forschung subtil zu lenken:

  • Sie stellen bevorzugt Experten für ihre datenhungrigen Ansätze (wie Deep Learning) ein.
  • Sie veröffentlichen mächtige Open-Source-Tools (z.B. TensorFlow, PyTorch, Llama), die zwar der Community nützen, aber Forscher dazu verleiten, sich auf die von Big Tech bevorzugten Methoden zu konzentrieren, da die Werkzeuge dafür am besten ausgebaut sind.
  • Sie verhindern aktiv die Entwicklung offener Standards für die Interoperabilität von KI-Systemen, da sie es vorziehen, dass alles innerhalb ihrer eigenen, geschlossenen Ökosysteme stattfindet.

Marktdominanz durch Finanzmacht und die Verwischung der Grenzen

Goertzel weist auf die Rolle von „Supergiganten-Finanzierungsrunden“ (Pionier: SoftBank Vision Fund) hin, die gezielt Märkte mit starken Netzwerkeffekten identifizieren und durch massive Investitionen in einen einzigen Akteur quasi Monopole schaffen (Beispiel: Uber). Reichere Unternehmen können höhere Risiken eingehen und kleinere Konkurrenten überbieten, was die Konzentration weiter beschleunigt. Die Grenze zwischen Risikokapital und Private Equity verschwimmt, da der Fokus auf der Schaffung und Kontrolle von „Einhörnern“ liegt.

Diese Entwicklung ist eng mit geopolitischen Interessen verwoben. Die Finanzierung durch Staatsfonds (z.B. Saudi-Arabien) und die enge Kooperation von Tech-Konzernen mit Militär- und Geheimdiensten zeigen, dass es keine klare Trennung zwischen Wirtschaft und staatlicher Macht gibt. Ein von Oligarchen kontrolliertes KI-System, das auf Geheimhaltung und Manipulation ausgelegt ist, passt perfekt zu autoritären Bestrebungen.

Informationsungleichheit: Die algorithmische Spaltung der Gesellschaft

Die Kontrolle von Big Tech über die Informationsflüsse im Internet hat gravierende gesellschaftliche Folgen. KI-gesteuerte Empfehlungsalgorithmen, optimiert auf Verweildauer und Klickraten (also Profit), neigen dazu, Nutzer in Filterblasen einzuschließen und ihnen eher bestätigende als herausfordernde Informationen zu präsentieren. Dies verschärft die Informationsungleichheit, insbesondere entlang sozioökonomischer Linien. Menschen ohne Zugang zu hochwertigen Informationen oder der Zeit/Bildung für kritische Recherche werden von besseren Chancen ausgeschlossen und anfälliger für Desinformation und Manipulation (Psyops). Diese Dynamik wird durch prekäre Arbeitsverhältnisse verstärkt, die wenig Zeit und Energie für Bildung oder bürgerliches Engagement lassen, was wiederum Elitismus und undemokratische Tendenzen fördert.

Die subtilste Gefahr: Das Meta-Lern-Oligopol

Goertzel hebt ein besonders beunruhigendes Phänomen hervor: das Meta-Lern-Oligopol. Meta-Lernen – das Lernen, wie man lernt – ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur KGI. Es geht darum, wie KI-Systeme lernen, sich selbst zu konfigurieren, anzupassen und ihre Lernstrategien zu verbessern. Dieses Meta-Wissen entsteht aus der Anwendung vieler verschiedener KI-Algorithmen auf eine Vielzahl von Problemen und Datensätzen.

Wer verfügt über diese riesigen Mengen an Meta-Daten? Big Tech. Selbst wenn Nutzerdaten (z.B. in der Cloud oder bei ChatGPT-Nutzung) angeblich nicht direkt für das Training verwendet werden, sammeln die Plattformbetreiber unschätzbar wertvolle Informationen darüber, welche Ansätze, Architekturen, Parameter oder Dialogstrategien in welchen Kontexten funktionieren. Sie lernen, wie Lernen selbst funktioniert, und monopolisieren dieses Wissen.

Goertzel argumentiert, dass dieses Meta-Wissen dem Nutzer oder Unternehmen gehören sollte, dessen Daten und Prozesse es generiert haben. Die einzige Lösung sieht er in dezentralen KI-Netzwerken (wie von SingularityNET versucht), die Kontrolle und Nutzen gerechter verteilen würden. Doch der Aufbau solcher Alternativen ist mühsam und kämpft gegen die etablierte Macht und die Skaleneffekte der zentralisierten Giganten. Die Gefahr besteht darin, dass wir die Fähigkeit, „das Lernen zu lernen“ – eine Kernkompetenz zukünftiger Superintelligenz – unwissentlich einem undurchsichtigen Oligopol überlassen.

Netzwerkeffekte oder alter Kapitalismus? Beides!

Unter Bezugnahme auf Cory Doctorow räumt Goertzel ein, dass die Dominanz von Big Tech nicht nur auf cleveren Netzwerkeffekten beruht, sondern auch auf klassischer kapitalistischer Marktmacht und der Schwächung von Kartellgesetzen, die es den Großen ermöglicht, Konkurrenten einfach aufzukaufen (Beispiele: Googles Zukäufe von Applied Semantics und DeepMind; Microsofts massive Investition in OpenAI). Die Realität ist eine Synergie aus beidem: Netzwerkeffekte und wettbewerbsfeindliche Praktiken.

Trotz der scheinbar erdrückenden Dominanz ist die Landschaft aber nicht statisch. Die Bedeutung der Websuche könnte abnehmen, soziale Netzwerke könnten fragmentieren. Das Internet behält eine gewisse „Wildheit“ (z.B. durch Umgehungstools wie VPNs, Tor oder illegale/graue Wissensquellen wie Sci-Hub), und Open-Source-Bewegungen können unerwartete Richtungen einschlagen. Es gibt Risse im Fundament des Oligopols, die Chancen für Alternativen bieten könnten – wenn auch unter großen Schwierigkeiten.

Die Monopolisierung unseres Bewusstseins

Am Ende schlägt Goertzel den Bogen zurück zum Thema Bewusstsein. Das Big-Tech-Oligopol, so seine These, ist Teil eines größeren gesellschaftlichen Prozesses, der die Vielfalt menschlicher Bewusstseinszustände einschränkt. Die Anekdote der weltabgewandten äthiopischen Mönche dient als Metapher für den Verlust solcher Nischen. Die moderne, technologiegesättigte Welt, selbst ein Spaziergang im Wald mit Smartphone, kanalisiert unsere Aufmerksamkeit und Erfahrung ständig in Bahnen, die von den Zielen der Plattformen geprägt sind: Konsum, soziale Validierung, sofortige, aber oft oberflächliche Befriedigung.

Diese von Big Tech geförderten Bewusstseinszustände haben laut Goertzel spezifische Merkmale:

  • Sie fördern das schnelle Springen zwischen Reizen und erschweren tiefes, konzentriertes Nachdenken.
  • Sie verstärken die Bedeutung von Geld, Status und schneller Befriedigung.
  • Sie entmutigen das Hinterfragen des Systems, da wir von dessen Werkzeugen abhängig sind.
  • Sie fokussieren auf eine eng definierte Individuation und entmutigen radikale Selbsttransformation (die unvorhersehbar und schlecht monetarisierbar ist).

Im Grunde, so die düstere Schlussfolgerung, programmiert uns Big Tech darauf, das Oligopol zu akzeptieren („stop worrying and love the Big Tech oligopoly“) und uns ablenken zu lassen, während im Hintergrund ihre Version der Singularität vorangetrieben wird.

Fazit: Ein kritischer Scheideweg

Kapitel 12 ist eine eindringliche Warnung. Die Konzentration von Macht und Kontrolle in den Händen weniger Technologiekonzerne stellt eine ernsthafte Gefahr für die Entwicklung einer positiven, menschenfreundlichen KI und KGI dar. Sie formt nicht nur die Technologie selbst, sondern auch die Informationslandschaft, die wirtschaftlichen Realitäten und letztlich sogar die Struktur unseres eigenen Bewusstseins. Doch Goertzel lässt einen Funken Hoffnung: Die Situation ist nicht ausweglos. Die Dynamik des Internets, das Potenzial dezentraler Technologien und die Fähigkeit des menschlichen Geistes zu Bewusstseinserweiterung bieten Gegenkräfte. Wir befinden uns an einem kritischen Punkt, der Bewusstsein und aktives Handeln erfordert, um sicherzustellen, dass die bevorstehende Bewusstseinsexplosion nicht zu einer Implosion unter der Kontrolle weniger wird.


KI-Hinweis: Dieser Blogartikel wurde mithilfe einer KI auf Basis der von Cosmo Kaan bereitgestellten deutschen Übersetzung von Kapitel 12 aus Dr. Ben Goertzels Buch „The Consciousness Explosion“ erstellt und zusammengefasst.

Beitrag zu Kapitel 13 hier